Aktuelles

Montag, 02. April 2018
Besondere Rechte für besondere Menschen

Das Expertenteam rund um das Thema „Rechte von Menschen aus dem Autismus-Spektrum“ David Scheible (Geschäftsführer Autismuszentrum Schwaben), Guido Bartel (ASB Leitung Fachbereich Autismus und Schulbegleitungen), Irmengard Eder (Mobiler SozialpädagogischeDas Expertenteam rund um das Thema „Rechte von Menschen aus dem Autismus-Spektrum“ David Scheible (Geschäftsführer Autismuszentrum Schwaben), Guido Bartel (ASB Leitung Fachbereich Autismus und Schulbegleitungen), Irmengard Eder (Mobiler Sozialpädagogische

Viele Menschen aus dem Autismus-Spektrum erfahren lebenslang eine erhöhte Abhängigkeit durch ihre sozialen und kommunikativen Beeinträchtigungen. Diese erschweren die Teilhabe in der Gesellschaft. Der Fachtag (eine Kooperation des ASB, Autismus-Zentrum Schwaben, Staatliches Schulamt Biberach und Mobiler Sonderpädagogischer Dienst) zeigt Rechte auf Hilfen auf.

„Als der ASB 2010 mit Schulbegleitungen bei autistischen Kindern begonnen hat, hatten wir nur wenige Fälle. Inzwischen gibt es 25 Betreuungen“, berichtet Jochen Heilemann, Gastgeber des 4. Autismus-Fachtages beim Arbeiter Samariter Bund. Die Angebote des ASB reichen von Schul- und Alltagsbegleitungen, Familienhilfe, erlebnispädagogischen Gruppen, Erziehungsbeistandschaft, der Heilpädagogischen Tagesstätte (HTP) bis hin zum betreuten Einzelwohnen). Bei unter 18-jährigen werden diese Hilfen i. d. R. über die Jugendhilfe geleistet, bei Erwachsenen über die Eingliederungshilfe.

Autismus gilt als nicht heilbar und ist im ICD 10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten) innerhalb der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen klassifiziert. Menschen aus dem Autismus-Spektrum benötigen häufig entsprechend ihrer jeweiligen Altersstufe Unterstützung bei der Teilhabe. Obwohl Autismus ein anerkanntes „Störungsbild“ innerhalb der ICD-10 ist, werden viele Leistungen (z.B. spezifische Autismustherapien) meist nicht von Krankenkassen übernommen.

Autismus-Spektrum-Störungen können sich vielfältig auswirken und Menschen aus dem autistischen Spektrum lassen sich schwer einordnen. Als Schulkinder „ecken“ viele permanent mit ihren Besonderheiten in den allgemeinen Schulen an; die Schulzeit wird dann unglaublich anstrengend. Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren können für autistische Kinder in BW nur dann eine Alternative sein, wenn zusätzlich zum Autismus ein sonderpädagogischer Förderberdarf vorliegt.

„Es gibt eigentlich keinen Beruf, der grundsätzlich nicht für einen Autisten geeignet ist“, meinte Christian Frese, Geschäftsführer autismus Deutschland e.V. und geladener Dozent des Fachtags. Allerdings schwanke die Leistung dieser Menschen je nach Arbeitsbedingungen von normal leistungsfähig bis nicht einsetzbar. Denn Autisten „ticken“ anders. „Das beginnt schon bei einem Bewerbungsgespräch. Ein autistischer Mensch macht keinen Small-Talk, sondern kommt sofort zur Sache.“ Das könne auf einen zukünftigen Arbeitgeber befremdlich wirken und die Chancen auf eine Ausbildung oder Beschäftigung werden reduziert. Dabei haben Menschen aus dem Autismus-Spektrum oft besondere Fähigkeiten oder sogar Inselbegabungen, die sinnvoll eingesetzt für ein Unternehmen sehr wichtig sein können. Daher gelten Menschen mit dieser Störung gemäß § 2 SGB IX Abs. 1 als behindert.

Als Rechtsexperte berichtete Christian Frese nicht nur über die Diagnose, sondern gab auch viele praxisnahe Tipps an die knapp 80 Besucher, Betroffene und Eltern betroffener Kinder aus dem regionalen Umfeld. Es wird nicht nur eine Diagnose über die Form des Autismus nach ICD gemacht (Frühkindlicher Autismus, Atypischer Autismus oder Asperger Autismus), es werden auch die Pflegegrade festgelegt. „Kein Autist ist wie der andere“, betonte Frese. So wird nach der Feststellung der Autismus-Form der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) und der Grade der Behinderung (GdB) festgelegt und ein oder mehrere Merkzeichen (H, B, G oder aG) beantragt. Die Grade können von praktisch keinen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (GdS 10 – 20) bis hin zu schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten und einer 100 prozentigen Einstufung führen. Ein Schwerbehindertenausweis wird ab einem Grad der Behinderung von 50 ausgestellt. Aber auch ohne Schwerbehinderung bestehen Ansprüche aus der Eingliederungshilfe. Daher empfiehlt Frese stets ausführliche Beratung einzuholen, ob ein Kind beim Übertritt ins Erwachsenenalter mehr Nutzen oder Nachteile durch einen Behindertengrad erwirkt. Eine Empfehlung, die auch für die Festlegung des Behindertengrades von ihm ausgesprochen wird, da im Bereich Autismus oftmals noch Informations- und Wissensbedarf, bzw. Wissensdefizit bei den Kostenträgern herrsche. „Der individuelle Bedarf ist für Menschen aus dem Autismus-Spektrum einzeln zu ermitteln, um ihm die größtmögliche Teilhabe zu ermöglichen.“ (ela)